Ursprünglich richtete sich das mündlich tradierte Volksmärchen
an Erwachsene. Die Geschichten boten Lebenshilfe, erlaubten Gesellschaftskritik
und enthielten zum Teil unverblümt erotische Anspielungen. Nichts
für Kinderohren! Zu dieser Ansicht gelangten zumindest die Menschen
des aufgeklärten 17. Jahrhunderts, als die «Kindheit» entdeckt
wurde. Ihren Höhepunkt fand diese Auffassung in den «Kinder-
und Hausmärchen» der Brüder Grimm.
Im 20. Jahrhundert wurde das Märchen von der Wissenschaft erobert.
Seine pädagogischen und therapeutischen Möglichkeiten wurden
erforscht, Symbole und Motive auf ihre Heilwirkung untersucht. Nach
einer Zeit der Ablehnung hält der Märchenboom nun unverändert
seit Jahrzehnten an, wie die fast unüberschaubare Fülle
an Literatur, Seminaren und Veranstaltungen zum Thema zeigt.
Fast
wie im Märchen
Als Käthi Moser vor zehn Jahren ihre Märchenstube eröffnete,
stand für sie fest, dass sie sich keiner Schule verpflichten
würde. Ihr Ziel war es, jeden 7. des Monats ein Podium der Fabulierlust
zu schaffen, den Zuhörern die Möglichkeit zu bieten, die
alte Kunst des Erzählens neu oder wieder zu entdecken. Die Gefahr,
dass Märchen heute zu den verschiedensten Zwecken gebraucht
und auch missbraucht werden, bedauert sie. «Ich überlasse
es jedem selbst, ob er ein Motiv für sich entschlüsseln
oder ganz einfach die Poesie der Sprache und die Ausstrahlung des
Erzählenden geniessen will», sagt sie. Für Käthi
Moser heisst es heute, nach zehn intensiven Jahren «Mutprobe
bestanden». Wie im Märchen, nach mancher Enttäuschung,
aber auch ebenso vielen Ermutigungen. Inzwischen hat der magische
7. Tradition, steht bei vielen als fester Termin in der Agenda, auch
bei den Erzählerinnen und Erzählern, die im Turnus ihr
Stammpublikum begeistern.
Festtagsprogramm
Für den Jubiläumstag am kommenden 7. September hat Käthi
Moser ein ganz besonderes Programm auf die Beine gestellt. Los geht's
am Mittag mit Sigrid Früh, der schwäbischen Märchenerzählerin
und -forscherin aus Leidenschaft, die sich nicht scheut, auch Politikern
und Managern den Spiegel vor die Augen zu halten. Zwischendurch wird
zur Stärkung ein schwäbisches Gericht serviert. Weiter
geht es orientalisch mit Hannelore Marzi, gefolgt vom dazu passenden
Dessert. Danach entführt Gidon Horowitz in den Garten der Träume.
Eine weitere Besonderheit wird im Barockhüsli dargeboten. Dort
wird Claudius Caflisch Märchen aus der Stimmung des Augenblicks
heraus improvisieren.
Am Abend des 7. September findet die gewohnte Erzählrunde statt.
Zu Gast ist Silvia Studer-Frangi.
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